Kurzgeschichten

Das ganze Ding hier ist doch ein einziges PR-Desaster!“, sprach Gott und pfefferte den Wartungsbericht eines seiner derzeitigen Langzeitprojekte, der Erde, quer durch den Raum. Eigentlich sollte es sein Vorzeigewerk werden, doch an irgendeinem Punkt hatte es sich unkontrolliert verselbstständigt und war nun auf dem besten Weg, sich selbst zu vernichten. Und damit auch den guten Ruf Gottes in der Gesellschaft.

Früher hatten ihn immer alle schief angesehen, wenn sie davon erfuhren, was er beruflich tat. „Leben schaffen?“, fragten sie spöttisch, „Klingt absurd!“ Und damit hatten sie sich abgewendet und waren gegangen.

Heute war das anders. Allein mit seinem großen Ziel vor Augen und viel harter Arbeit hatte sich Gott doch tatsächlich einen Ruf verschafft. Und das nicht nur innerhalb seiner Projekte. Nun sah ihn keiner mehr auf diese Weise an, die sagte, sie hielten ihn für verrückt. Sie alle bewunderten ihn für seine Fähigkeiten, die alles überstiegen, was die anderen jemals zu glauben gewagt hatten.

Leben schaffen – das war ungefähr so wahrscheinlich, wie im Alleingang ein ganzes Universum zu gestalten. Doch beides hatte Gott getan. Mehrfach sogar!

Bisher hatte er große Erfolge verzeichnen können. Dabei gab es auch in der Vergangenheit schon Schwierigkeiten mit dem Problemkind Erde. Die Menschen, die er darauf platziert hatte, waren nicht das, was er sich vorgestellt hatte. Einerseits hatten sie sich weiter entwickelt, als er erwartet hatte, andererseits jedoch sorgten sie auch für einige Katastrophen.

Damals, als sie kurzerhand zwei Weltkriege angefangen hatten… Gott wäre fast aus all seinen Wolken gefallen, als er davon in einem der Berichte las. Dabei hatte alles doch so gut begonnen.

Niemals hätte Gott sich träumen lassen, dass nun, 2021 Jahre nach dem letzten Eingreifen – das so ziemlich die drastischste Maßnahme darstellte, die Gott jemals einleiten musste – etwas dermaßen beunruhigendes stattfinden würde. Die Prognosen hatten immer schon geschwankt, doch dies? Eine weltweite Pandemie? Seit über einem ganzen Jahr?

Als Gott das letzte Mal auf die Uhr gesehen hatte, war alles noch in einem Bereich gewesen, der zwar beunruhigend war, ihn jedoch nicht in eine solche Lage brachte. Würde er alles auf sich beruhen lassen, drohte der Erde im schlimmsten Fall der Untergang. Viele Länder kamen einfach nicht mit dem Virus zurecht, das bereits Millionen Menschen dahingerafft hatte. Andererseits konnte er ein erneutes Eingreifen jedoch nicht riskieren. Nicht, wenn er sein gesamtes Unternehmen auf Vertrauen aufbaute.

Das Vertrauen in seine Projekte. In seine Fähigkeiten, etwas zu erschaffen, das sich weitestgehend unabhängig von ihm entwickelte und eine neue Art der Gemeinschaft begründete, die man so in seiner Welt noch niemals gekannt hatte.

Loyalität, Familienverbande, ein Zusammengehörigkeitsgefühl – das alles wies die Erde als eines der ersten Projekte überhaupt auf. Deswegen hatte er es nach den ersten paar Jahrmillionen zu einem seiner vielversprechendsten Werke erklärt.

Doch nach und nach lief dann alles aus dem Ruder. Mithilfe von Jesus hatte er es in einer riskanten Alles-oder-Nichts-Mission geschafft, die vorhergesagten Einbrüche des Erfolgs zu verhindern. Er hatte den Menschen ein Zeichen von oben geliefert, auf das sie ein Zeugnis dafür hätten, gehört und gesehen zu werden. Nicht allein zu sein, mit all ihren Stimmen.

Sollten wir nicht endlich einmal darüber nachdenken, das Projekt Erde als gescheitert zu erklären und stattdessen etwas Neues zu beginnen?“, fragte der Wartungsbeauftragte Gott. Dieser seufzte: „Das kommt gar nicht infrage!“

Aber es könnte die Firma in den Ruin treiben“, setzte der Angestellte hinzu. Er war besorgt und nach allem, was Gott soeben gelesen hatte, gab es auch allen Grund dazu. Dennoch würde er sein Projekt nicht einfach beenden. Dafür hatte es schon zu viele Erfolge verzeichnet.

Bisher haben die Menschen noch jedes Problem zu lösen gewusst!“, erklärte er. Doch auch darauf lieferte sein Angestellte eine Erwiderung: „Nur, dass sie gerade in diesem Augenblick mehr Probleme zu lösen hätten, als sie überhaupt sehen können. Alles, was sich über die letzten Jahrhunderte angedeutet hat, bleibt jetzt an einer einzigen Generation hängen, Gott. Und die scheitert!“

Nach diesen Worten erhob sich Gott auf seiner Wolke. Der Mitarbeiter sah nur stumm zu ihm hinüber, als er die Arme ausbreitete und verkündete: „Ich habe zu viel Arbeit und Vertrauen in dieses Projekt gesteckt! Uns konnten die Menschen bisher noch jedes Mal überraschen.“

Was ist mit der Presse?“, wollte der Wartungsbeauftragte wissen. Gott überlegte kurz. Jeder schlechte Satz über ihn und seine Firma könnte das Leben, wie er es kannte, beenden. Die anderen könnten sich wieder gegen ihn richten und herunterwürdigen, bis ihm nichts bliebe. Doch dieses Risiko war er bereit einzugehen, solange es der Erde noch eine letzte Chance gäbe.

Die Menschen werden sich zurückbesinnen auf das, was wirklich wichtig ist. Sie werden ihre Fehler erkennen, sie beheben und schließlich neue machen. So habe ich sie geschaffen und so schaffe ich all meine Leben“, sprach Gott voller Vertrauen. Denn das war es, Vertrauen, das er gelernt hatte, in die Menschheit zu setzen.

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